Mittwoch, 26. Juli 2017

Rückkehr einer deutschen Familie aus dem belgischen Exil - Trennung der Familie - Institutioneller Rassismus

Wir sind eine afro-deutsche / deutsche Familie, die nach 19 Monaten im belgischen Exil nach Deutschland zurückkehren muss. 
Wir wissen, dass unsere Sicherheit dort nicht gewährleistet ist.

Wir sind von Beruf Juristin und Manager.

Fotografin: unsere Tochter               #evenstronger
 Bis August 2012 habe ich in eigener Kanzlei als Rechtsanwältin gearbeitet.
Spezialisiert war ich auf den Gebieten Asyl- und Flüchtlingsrecht sowie Aufenthaltsrecht. Mein Ehemann hat mich bei der Führung der Kanzlei unterstützt.

Wir haben in Deutschland keinen Wohnsitz. Unser letzter Wohnsitz, den wir nach unserer Flucht verloren haben, war in Düsseldorf.
Hier in Belgien haben wir ein Haus gemietet, das wir jetzt wegen der Ausweisung verlassen müssen.

1. Wir möchten nicht als unfreiwillige Obdachlose in Deutschland ankommen. Wir wollen nicht, wie in der Vergangenheit, um unser Existenzminimum kämpfen. Es wird an Art. 6 Abs. 1 GG erinnert, der uns als Familie schützen soll.
Von der für uns zuständigen Fachstelle für Wohnungsnotfälle in Düsseldorf erhielten wir am 19.07.2017 durch eine EURES-Beraterin, Frau Witte, folgende Auskunft:
"Ich habe mit Frau Schumacher von der Zentralen Fachstelle für Wohnungsnotfälle gesprochen. Bitte melden Sie sich persönlich dort. Es kann jedoch nicht sicher gestellt werden, dass Sie als Famile zusammen untergebracht werden. Das Kind bleibt bei der Mutter.  Frau Schumacher sagte mir, dass die Unterkünfte 7 Gehmin. auseinander liegen. Hierbei handelt es sich um eine Notunterkunft, Ihr Fall ist ein Notfall."

Wir selbst haben parallel per E-mail Kontakt zum Amt für soziale Sicherung in Düsseldorf aufgenommen. Wir erhielten die Antwort, dass wir als Familie zunächst getrennt untergebracht würden.

2. Wir sind ein nach deutschem Recht verheiratetes Paar mit seinem ehelichen Kind. Es liegt kein triftiger Grund vor, uns als Familie zu trennen. Nicht für einen Tag.
In Belgien haben wir im Dezember 2015 Asyl beantragt. Man hat unsere Familie nicht getrennt, sondern selbstverständlich am selben Tag eine gemeinsame Unterkunft zur Verfügung gestellt.
Wenn die Achtung und der Schutz von Familie für Asylbewerber in der europäischen Hauptstadt Brüssel gilt, dann muss dies auch für uns als deutsche Staatsbürger in Deutschland gelten.
Eine Trennung unserer  Familie, egal für welchen Zeitraum, würde einen schwerwiegenden Eingriff in Art. 6 GG bedeuten.

3. In der Vergangenheit (2015) hat uns das Amt für Wohnungsnotfälle in Düsseldorf eine gemeinsame Unterkunft, bei einem Verlust der Wohnung in Aussicht gestellt, eventuell in einem  Hotel oder anderweitig. Auf keinen Fall sollte unsere Familie getrennt werden.
Es muss Unterkünfte für Familien geben, die zum Beispiel bei einem Brand oder anderer Katastrophe ihre Wohnung verloren haben. Deshalb wenden wir uns an die zuständige Stellen, bevor wir Belgien verlassen.

4. Wir möchten die Zusicherung, dass unsere Tocher uns nicht weggenommen wird, weil wir staatliche Hilfe beantragen, gerade um unsere Tochter zu schützen.

5. Einer der Gründe, warum wir Deutschland 2015 verlassen haben ist, dass Deutschland, durch das Jugendamt, uns unser Kind wegnehmen wollte, weil wir ALG II beantragt haben und Strafanzeige beim Generalbundesanwalt gestellt haben. Das Jobcenter Düsseldorf hat uns jegliche Hilfe verweigert. Wir mussten mit unserer Tochter im Winter ohne Heizung, Strom und warmes Wasser leben, trotz aller möglichen Hilfeersuchen von unserer Seite.
Es lief das Eilverfahren vor dem LSG NRW.
Der Richter wollte nicht entscheiden, um zu vermeiden, dass wir vor dem Bundesverfassungsgericht Beschwerde einlegen können. Wir haben mehrmals eine Entscheidung verlangt.
In dem Verhalten (totale Verweigerung des Existenzminimums, selbst eines Kostenvorschusses) des deutschen Staates, vertreten durch seine Exekutive und Judikative (Jobcenter, SG Düsseldorf, LSG NRW) bestand ein offensichticher Vertoß gegen die gängige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Davor im Juli desselben Jahres, 2015, hat eine andere Kammer des LSG NRW das Jobcenter verpflichtet zur Zahlung der Strom- und Gaskosten zzgl. Mietkosten (Aktenzeichen L 7 AS 887/15 B ER u.a.). Im Beschluss des LSG hat das Gericht klar ausgeführt: Zu einem Haushalt mit einem Kind gehören Strom, Heizung und warmes Wasser.  Im August desselben Jahres hat das Jobcenter uns trotzdem jegliche Gewährung von Hilfe verweigert mit demselben Argument, welches das Jobcenter im Juli dem Gericht präsentiert hat und mit dem es gescheitert ist. Die damalige Ministerpräsidentin des Landes NRW, Kraft, war informiert. Der Bürgermeister der Stadt Düsseldorf war auch informiert. Keiner wollte uns helfen.
Wir haben vorgesprochen bei dem LKA NRW (Hauptkommissar Michael Brack und einer Kollegin). Keiner wollte uns helfen.

6. Deshalb sind wir aus Deutschland geflüchtet und haben in Belgien Asyl beantragt (Protokoll 24), auf Empfehlung der Europäischen Kommission und des cabinets von Theo Francken. Die Adresse haben wir damals bei der deutschen Botschaft von Herrn Verteidigungsattaché Matzken erhalten.
Weil eine Fortsetzung des Asylverfahrens für uns immer gefährlicher wurde, hat man uns geraten, das Verfahren bei Seite zu lassen und uns als EU-Bürger arbeitsuchend zu melden.

7. Wir haben dann als demandeur d´emploi (Arbeitsuchende) in Belgien im August 2016 die carte E erhalten. Wir haben uns aktiv um Arbeit bemüht. Ich, Adonis Böving, hatte einen Vertrag mit dem CPAS (Sozialamt der Wallonie), diesen erfüllt und noch am 12.06.2017 bei einer Beurteilung 5/5 Punkte (excellent) erhalten. Ich, Ricarda Böving, habe am 29.05.2017 in Brüssel den selor test, Voraussetzung um im öffentlichen Dienst arbeiten zu können, erfolgreich abgelegt. Unsere Tochter, 10 Jahre, besuchte seit Januar 2016 die dritte und vierte Klasse der école primaire (IND Charleroi), bevor sie diese wegen ihrer sehr guten Leistungen übersprungen hat und zu diesem Schuljahresende in die sechste Klasse versetzt wurde.
Das Cpas hat Zahlung der Leistungen für Juli eingestellt, ohne vorherige Ankündigung, ohne Bescheid. Die Einstellung der Zahlung erfolgte, bevor dass office des étrangers uns seine Entscheidung bekannt gemacht hat. Wir konnten auf keine Ersparnisse zurückgreifen. Wir haben weder in Belgien noch in Deutschland Familie.
Jetzt müssen wir zurück nach Deutschland.
Als wir feststellten, dass wir in Belgien trotz unserer Qualifikation und Integration nicht willkommen waren, geschweige denn unsere Sicherheit in Charleroi nicht mehr gewährleistet war, wollten wir nicht länger in Belgien bleiben und Ris (Revenu d'intégration sociale) beziehen. Deswegen hatten wir der deutschen Botschaft damals unsere Rückkehrabsicht mitgeteilt, bevor Belgien jetzt unseren Aufenthalt zurückgezogen hat.

Zu unserer Historie:
Meine engagierte und erfolgreiche berufliche Tätigkeit, bei der mich mein Ehemann unterstützte, führte zu erheblichen Schwierigkeiten mit Behörden und Kreditinstitut. Wir wurden bedroht und bis in den privaten Bereich hinein durch Behörden angegriffen, bis hin zu Strafanzeigen durch den Landrat des Kreises Borken, Chef der Ausländerbehörde und Leiter der Polizeibehörde.
Schließlich mussten wir aus Furcht um unsere Existenz die Kanzlei schließen und zogen nach Düsseldorf. Unsere Immobilie, ein Dreifamilienhaus, wurde wegen eines Darlehens bei der Sparkasse in Höhe von 57 000 € zum Schleuderpreis zunächst zwangsverwaltet später zwangsversteigert. Ein unbelastestes Grundstück wurde, trotz fehlender Grundbucheintragung, auf Antrag der Sparkasse zwangsversteigert.
Von Düsseldorf aus bewarb ich mich um einen Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst und unterstütze meinen Ehemann bei der Ausübung seiner selbständigen Tätigkeit als Kommunikations- und Motivationstrainer.
Die Bedrohungen von staatlicher Seite aus hörten auch in Düsseldorf nicht auf, so dass wir im März 2015 keinen anderen Ausweg sahen, als Deutschland zu verlassen. Wir flüchteten nach Belgien. Dort machten uns Behördenvertreter und Vertreter von Menschenrechtsorganisationen klar, dass von belgischer Seite weder Hilfe noch Schutz zu erwarten seien und wir an den deutschen Staat gebunden sind. Nach unserer Rückkehr aus Belgien informierten wir per E-mail den Generalbundesanwalt. Eine direkte Antwort erhielten wir nicht. Jedoch meldete sich plötzlich im April das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, bei dem ich mich in der Vergangenheit bereits erfolglos beworben hatte und bot mir eine Stelle als Juristin an. Die Kontaktaufnahme erfolgte per E-mail und telefonisch. Nach dem Bewerbungsgespräch erhielt ich kurzfristig eine fernmündliche Zusage und wurde auch per E-mail unterrichtet. Eine weitere schriftliche Zusage in Papierform erfolgte nicht.
Vom 18. Mai bis Ende Juni 2015 war ich als Juristin bei der oberen Bundesbehörde dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) in Köln beschäftigt. In Aussicht gestellt wurde mir eine Tätigkeit im Bereich Mehrgenerationenhäuser. Tatsächlich begann meine Tätigkeit im Referat 207 beim Internationalen Jugendfreiwilligendienst. Mir wurden, anders als angekündigt, nicht unverzüglich berufliche Schulungen bzw. Fortbildungen angeboten, obwohl ich mich wiederholt danach erkundigte. Trotzdem erstellte ich dank meiner Eigeninitiative Bescheide und arbeitete selbständig. Auch meldete ich mich bei der Online-Lernplattform des Öffentlichen Dienstes an, um meine Kenntnisse im Zuwendungs- und Haushaltsrecht zu erweitern.
Aufgrund der mangelhaften personellen Einarbeitung war ich gezwungen, mich bei beruflichen Fragen an den Sachgebietsleiter als direkten Vorgesetzten zu wenden.
Das wiederholte unverschämte Verhalten des Vorgesetzten mir gegenüber wertete ich als sexuelle Belästigung und als Erniedrigung.
Ich besprach die Vorkommnisse mit meinem Ehemann.
Vertrauensvoll wendete ich mich an die Personalabteilung und Referatsleitung des Bundesamtes. Es fanden am 24.06.2015 mehrere Gespräche statt.
Nachweise der Gespräche und der Gründe liegen schriftlich vor.
Ich teilte mit, dass ich nicht um jeden Preis und schon gar nicht unter Aufgabe meiner Würde als Frau beruflich tätig sein werde. Ein Referatswechsel innerhalb des Hauses wurde mir in Aussicht gestellt. Ich beantragte bis zur Klärung der Angelegenheit Urlaub, der mir bis zum 26.06.2015 (Freitag) gewährt wurde. Am 29.06.2015 (Montag) sollte ein Gespräch stattfinden mit der Personalabteilung des Bundesamtes. Statt eines Gesprächstermins erhielt ich am 27.06.2015 (Samstag) das Kündigungsschreiben ohne nähere Angaben, gefertigt während meines Urlaubs und mit der Aufforderung zur Rücksendung meines Transponders. Die Probezeit hätte am 30.06.2015 geendet.

Es folgten die oben bereis dargelegten Verfahren, die schließlich zu unserer Flucht führten.


Heute nach 19 Monaten Exil:
Wir wollen die Aufnahme als Familie und eine gemeinsame Bleibe, von der wir aus gemeinsam, als Familie, weitere existenzsichernde Schritte unternehmen werden.
Die Stadt Düsseldorf will unsere Familie, wenn überhaupt, zunächst getrennt unterbringen. Wir möchten als Familie eine gemeinsame Unterbringung und nicht, auch nicht für einen Tag, getrennt wohnen.
Wir möchten auch nicht in einer Unterkunft mit suchtkranken Menschen landen.
Es kann aus unserer Notsituation, welche wir in Deutschland vorfinden würden, keine vollendete Tatsache geschaffen werden, die Trennung einer Familie.

Höchste Priorität:
Bevor wir nach Deutschland zurückkehren, muss uns zugesichert werden, dass wir als Familie (beide Elternteile mit ihrer Tochter) gemeinsam und zusammen leben können.
Wir sehen unsere Geschichte unter dem Aspekt des institutionellen Rassismus.